Verband Deutscher Lehrkräfte im Ausland

Wiederentdeckt: Die Pädagogik der Deutschen Auslandsschulen

Ein Beitrag von Dr. Birgit Böll, VDLiA-Mitglied

Mein erster Einsatz als Lehrerin führte mich von 2012 bis 2014 an die Deutsche Auslandsschule in Accra, Ghana – eine prägende Zeit, die mein berufliches Denken nachhaltig beeinflusst hat. Zurück in Deutschland entschloss ich mich, die Besonderheiten Deutscher Auslandsschulen wissenschaftlich zu erforschen. Im Zuge meiner Promotion an der Freien Universität Berlin stieß ich auf eine nahezu vergessene Quelle pädagogischer Reflexion zum Auslandsschulwesen: die Zeitschrift Die Deutsche Schule im Auslande (1901–1938) und ihre Nachfolgerin Der deutsche Lehrer im Ausland (seit 1954), heute Deutsche Lehrkräfte im Ausland.

Zeitschrift mit langer Tradition: Die aktuelle Ausgabe von „Deutsche Lehrkräfte im Ausland“


Bereits 1901 eröffnete Hans Amrhein die erste Ausgabe mit dem prägenden Beitrag „Die deutsche Schule im Auslande. I. Ein Nationales im Internationalen“ – eine bis heute tragfähige These, die das grundlegende Spannungsverhältnis beschreibt, in dem sich Deutsche Auslandsschulen bewegen. Während Texte wie dieser oder etwa Wuttigs „Die Auslandschule als Stätte deutscher Erziehung“ (1907) und Gasters „Nationale Erziehung in der deutschen Auslandsschule, ein Problem“ (1908) noch im Kontext einer sich allmählich erst formierenden berufsständischen Öffentlichkeit standen, erschienen spätere Beiträge – spätestens ab 1954 – im klaren institutionellen Rahmen unseres heutigen Verbandes Deutscher Lehrkräfte im Ausland (VDLiA). So veröffentlichte Herbert Koch 1954 in der ersten Ausgabe der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder gegründeten Zeitschrift Der deutsche Lehrer im Ausland einen programmatischen Brief über die Motive der Verbandsgründung, der den Anspruch gemeinsamer pädagogischer Verantwortung vor organisatorische Belange stellte. Auch Max Tepp forderte 1956 eine bewusste „Gestaltung der deutschen Auslandsschule“ und H. Sewing charakterisierte 1964 in einem Beitrag zur Dokumentation einer schulpädagogischen Tagung die Deutsche Auslandsschule als ein „offenes Spannungsfeld für die erzieherischen Forderungen unserer Zeit“.

 Zitat aus: Koch, Herbert (1954): Weshalb gründen wir die Vereinigung deutscher Auslandslehrer? In: Der deutsche Lehrer im Ausland 1 (4), S. 8

Die Analyse der Texte zeigt: Es gab immer wieder einzelne Versuche, Entwürfe einer eigenen Pädagogik der Deutschen Auslandsschulen zu formulieren. Dabei entstand kein durchgehender Diskurs, denn die Texte beziehen sich nicht aufeinander. Und doch werden über einen Zeitraum von 84 Jahren hinweg immer wieder erstaunlich ähnliche pädagogische Konzeptionen sichtbar – eine Kontinuität, die zur Weiterentwicklung anregt!
Die Erkenntnisse der Studie eröffnen wichtige Perspektiven für die weitere pädagogische Auseinandersetzung mit Deutschen Auslandsschulen. Unsere Schulen sind besondere Bildungsorte, die deutsche Bildungsziele mit weltweitem Bezug verbinden. Ihr Unterricht bezieht sich häufig auf globale Zusammenhänge aus einer deutschen Perspektive, getragen von historischem Bewusstsein und dem Anspruch, Bildung verantwortungsvoll und zukunftsorientiert zu gestalten. Vor dem Hintergrund aktueller globaler Herausforderungen lädt dieser Befund dazu ein, die pädagogischen Konzepte der Deutschen Auslandsschulen weiterzuentwickeln und den Diskurs darüber neu zu beleben.
Die vollständige Dissertation ist online abrufbar unter:
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/46561

Kontakt: birgit.boell@fu-berlin.de

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